Vitamin D

Vitamin D: Das Sonnenvitamin im Fokus der deutschen Gesundheitsversorgung

Vitamin D nimmt unter allen Vitaminen eine Sonderstellung ein. Es ist eigentlich ein Hormon und kann vom Körper selbst produziert werden.

Dennoch zeigen aktuelle Studien, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung nicht optimal versorgt ist. Die wissenschaftliche Datenlage offenbart komplexe Zusammenhänge zwischen Vitamin-D-Status, Lebensgewohnheiten und Gesundheit.

ZENTRALE Überblick

  • 30 Prozent der deutschen Erwachsenen sind mangelhaft mit Vitamin D versorgt, nur 38 Prozent erreichen eine ausreichende Versorgung
  • In Deutschland ist die körpereigene Vitamin-D-Synthese nur von März bis Oktober möglich, in den Wintermonaten fehlt die notwendige UVB-Strahlung
  • Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt bei fehlender Eigenproduktion 20 Mikrogramm (800 IE) Vitamin D täglich

Was ist Vitamin D und wie funktioniert die Synthese

Vitamin D ist streng genommen kein Vitamin, sondern eine Vorstufe zu einem wichtigen Hormon. Der Körper kann es bei ausreichender Sonneneinstrahlung selbst herstellen. Bei ausreichender Sonnenbestrahlung kann der Körper den Großteil des benötigten Vitamins (80 bis 90 Prozent) selber produzieren.

Für die Vitamin-D-Synthese benötigt die Haut UVB-Strahlung im Wellenlängenbereich von 290 bis 315 Nanometern. In Deutschland ist die körpereigene Bildung nur von circa März bis Oktober bei einem Aufenthalt im Freien möglich. Diese geografische Einschränkung hat weitreichende Folgen für die Versorgungslage.

Die Ernährung spielt eine untergeordnete Rolle bei der Vitamin-D-Versorgung. Die Ernährung trägt mit einem geschätzten Anteil von circa 10 bis 20 Prozent nur einen relativ geringen Anteil zur Vitamin-D-Versorgung bei. Nur wenige Lebensmittel enthalten nennenswerte Mengen: fettreiche Seefische, Eier, Leber und bestimmte Speisepilze.

Versorgungslage in Deutschland

Die aktuellen Daten zur Vitamin-D-Versorgung in Deutschland zeichnen ein differenziertes Bild. Gemessen an ihren Serumblutwerten sind 30,2 Prozent der Erwachsenen mangelhaft mit Vitamin D versorgt. Eine ausreichende Versorgung erreichen 38,4 Prozent der Erwachsenen.

Bei einem klinischen Vitamin-D-Mangel mit Krankheitssymptomen sind die Zahlen niedriger. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass 15,2 Prozent der Erwachsenen und 12,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer mangelhaften Versorgung betroffen sind. Ein echter Mangel liegt bei 25-Hydroxyvitamin-D-Konzentrationen unter 30 nmol/l vor.

Besonders betroffen sind ältere Menschen, da die Eigenproduktion mit dem Alter nachlässt. Bei Frauen nimmt der Anteil der mangelhaft versorgten mit steigendem Alter zu. Auch der sozioökonomische Status spielt eine Rolle: Menschen mit niedrigem Status haben häufiger eine mangelhafte Versorgung.

Funktionen im Körper

Vitamin D erfüllt weit mehr Aufgaben als ursprünglich angenommen. Die bekannteste Funktion betrifft den Knochenstoffwechsel. Vitamin D fördert durch die Regulation des Calcium- und Phosphatstoffwechsels die Knochenstabilität. Es steigert die Calcium-Aufnahme im Darm und den Einbau in die Knochen.

Darüber hinaus beeinflusst Vitamin D zahlreiche andere Körperfunktionen:

Immunsystem: Es hat Einfluss auf die Muskelkraft und das Immunsystem. Studien zeigen, dass eine gute Versorgung vor akuten Atemwegsinfektionen schützen kann.

Muskelkraft und Bewegung: Bei Vitamin-D-Mangel kann es zu Muskelschwäche und Kraftminderung kommen. Wenn die Muskulatur geschwächt ist, kann Gehen oder Treppensteigen schwerfallen.

Zellteilung und Gensteuerung: Vitamin D ist an weiteren Stoffwechselvorgängen, bei der Bildung von Proteinen beziehungsweise der Steuerung einer Vielzahl von Genen beteiligt.

Psyche und Stimmung: Es gibt Hinweise auf Zusammenhänge mit Depressionen und Stimmungsschwankungen, besonders in den Wintermonaten.

Mangelsymptome und Folgen

Ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel kann schwerwiegende Folgen haben. Bei Säuglingen und Kindern kann dies zum Krankheitsbild der Rachitis führen, das heißt zu schwerwiegenden Störungen des Knochenwachstums und zu bleibenden Verformungen des Skeletts.

Bei Erwachsenen entstehen andere Probleme: Bei Erwachsenen kann es durch die Entkalkung des Knochens zu Verformungen der tragenden Knochen, zu Knochenschmerzen und Muskelschwäche sowie zu Kraftminderung kommen. Diese Erkrankung wird Osteomalazie genannt.

Typische Symptome eines Vitamin-D-Mangels umfassen:

  • Knochen-, Gelenk- oder Muskelschmerzen
  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Erhöhte Infektanfälligkeit
  • Muskelschwäche
  • Stimmungsschwankungen

Risikogruppen

Bestimmte Personengruppen haben ein erhöhtes Risiko für Vitamin-D-Mangel. Gefährdet sind Personen, die sich selten im Freien aufhalten beziehungsweise aufhalten können, etwa weil sie immobil sind, chronisch krank oder pflegebedürftig.

Ältere Menschen: Sie gehören zur Hauptrisikogruppe, da die Vitamin-D-Synthese mit dem Alter abnimmt. Die beobachtete Abnahme der Eigensynthese hat vermutlich mit der Abnahme der Hautdicke zu tun.

Säuglinge: Säuglinge haben ein erhöhtes Risiko, da sie keiner direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt werden sollten. Deshalb erhalten sie standardmäßig Vitamin-D-Präparate.

Menschen mit dunkler Hautfarbe: Sie benötigen deutlich mehr UV-Strahlung für die Vitamin-D-Synthese, was in nordeuropäischen Breiten problematisch sein kann.

Personen mit bedeckender Kleidung: Wer sich häufig vollständig bedeckt im Freien aufhält oder starken Sonnenschutz verwendet.

Chronisch Kranke: Menschen mit Nieren-, Leber- oder Darmerkrankungen haben oft Probleme mit der Vitamin-D-Verwertung.

Empfehlungen zur Vitamin-D-Zufuhr

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat klare Empfehlungen formuliert. Für Kinder ab einem Jahr und Erwachsene aller Altersgruppen wird der Schätzwert mit 20 µg Vitamin D pro Tag angegeben, das entspricht 800 Internationalen Einheiten.

Diese Empfehlung gilt jedoch nur bei fehlender körpereigener Vitamin-D-Bildung. Normalerweise reicht eine moderate Sonnenexposition aus: Zwischen März und Oktober zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen.

Für die Supplementierung gelten folgende Richtlinien:

  • Bei selbstständiger Einnahme maximal 20 Mikrogramm (800 IE) täglich
  • Die Europäische Lebensmittelbehörde hat als sichere Obergrenze 4000 IE/d für Heranwachsende und Erwachsene festgelegt
  • Höhere Dosierungen nur unter ärztlicher Kontrolle

Besondere Empfehlungen für Risikogruppen

Pflegeheimbewohner: Für Menschen, die in Pflegeheimen leben, wird eine generelle Supplementierung (20 Mikrogramm pro Tag) empfohlen.

Säuglinge: Sie erhalten standardmäßig Vitamin-D-Präparate zur Rachitisprophylaxe. Nach dem vollendeten zweiten Lebensjahr ist eine zusätzliche Gabe zur primären Prävention grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Kinder: Die obere sichere Grenze der Vitamin-D-Zufuhr liegt laut EFSA für Kinder bei 25 Mikrogramm pro Tag.

Risiken einer Überdosierung

Während ein Mangel problematisch ist, kann auch eine Überdosierung gesundheitsschädlich sein. Der Organismus speichert das Vitamin D im Fett- und Muskelgewebe, es wird nicht wie beispielsweise Vitamin C bei einem Überschuss einfach ausgeschieden.

Bei Überdosierung können folgende Symptome auftreten:

  • Übelkeit und Appetitlosigkeit
  • Bauchkrämpfe und Erbrechen
  • Hyperkalziämie (erhöhte Calciumwerte)
  • Nierenschäden und Nierensteine
  • Herzrhythmusstörungen

Die Arzneimittelkommission warnt vor exzessiven Dosierungen: Ein 65-jähriger Patient hatte über ein halbes Jahr 60.000 IE Vitamin D3 pro Tag eingenommen und dann ein akutes Nierenversagen bei Hyperkalziämie entwickelt.

Sonnenlicht versus Nahrungsergänzung

Die natürliche Vitamin-D-Synthese durch Sonnenlicht bleibt der ideale Weg zur Versorgung. Körperliche Bewegung und Aktivität im Freien stärken außerdem Muskeln und Knochen. Ein wichtiger Vorteil: Bei natürlicher Sonnenexposition kann es nicht zu einer Überdosierung kommen.

Empfohlene Besonnungszeiten variieren je nach Hauttyp:

  • Helle Hauttypen: 5-10 Minuten
  • Mittlere Hauttypen: 10-15 Minuten
  • Dunkle Hauttypen: 15-25 Minuten

Nahrungsergänzungsmittel sind dann sinnvoll, wenn die natürliche Synthese nicht ausreicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt diese, wenn eine Verbesserung des Vitamin-D-Status weder durch die Eigensynthese noch über die Ernährung erzielt werden kann.

Wechselwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei der Einnahme von Vitamin-D-Präparaten sind Wechselwirkungen möglich. Vorsicht ist unter anderem bei der Einnahme von Herzglykosiden geboten. Durch einen von Vitamin D hervorgerufenen erhöhten Kalziumspiegel kann die Wirkung dieser Medikamente verstärkt werden.

Weitere wichtige Kofaktoren spielen eine Rolle:

  • Magnesium: Notwendig für die Vitamin-D-Verwertung
  • Vitamin K2: Wichtig für die korrekte Calcium-Verteilung
  • Calcium: Sollte nur bei nachgewiesenem Mangel zusätzlich eingenommen werden

Aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen

Die Forschung zu Vitamin D entwickelt sich kontinuierlich weiter. Die Endocrine Society empfiehlt seit 2024 aufgrund fehlender wissenschaftlicher Evidenz keinen spezifischen Wert mehr zur Definition des Versorgungsstatus. Diese Unsicherheit spiegelt wider, dass viele Fragen noch ungeklärt sind.

Internationale Leitlinien werden derzeit überarbeitet. Eine internationale Expertengruppe hat eine neue Leitlinie für den Einsatz von Vitamin D3 und Vitamin D2 zur Senkung des Krankheitsrisikos vorgelegt. In Deutschland ist eine S3-Leitlinie zur Vitamin-D-Supplementierung für Ende 2024 angekündigt.

Praktische Empfehlungen

Für die meisten Menschen reicht eine moderate Sonnenexposition aus. Bei den meisten gesunden Menschen in Deutschland ist nicht von einem Vitamin-D-Mangel auszugehen. Eine Blutuntersuchung sollte nur bei begründetem Verdacht oder bei Risikopersonen erfolgen.

Grundsätzliche Empfehlungen:

  • Regelmäßige Bewegung im Freien
  • Moderate Sonnenexposition ohne Sonnenbrand
  • Ausgewogene Ernährung mit fettreichem Seefisch
  • Bei Risikogruppen: ärztliche Beratung zur Supplementierung

Die ZENTRALE Community ist eingeladen, ihre Erfahrungen und Fragen zu Vitamin D zu teilen. Welche Strategien haben sich in Ihrem Alltag bewährt? Wie gehen Sie mit der Herausforderung der Wintermonate um?