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Die blaugrüne Mikroalge Spirulina wird seit Jahren als Wundermittel der Ernährung angepriesen. Während ihre Befürworter von gesundheitsfördernden Effekten bei Diabetes, Allergien und sogar bei der Krebsprävention sprechen, warnen Verbraucherschützer vor übertriebenen Erwartungen. Die wissenschaftliche Datenlage zeigt ein differenziertes Bild der weit gereisten Alge, die biologisch betrachtet zu den Cyanobakterien gehört.
Spirulina ist trotz der Bezeichnung als Alge botanisch gesehen ein Cyanobakterium der Gattung Arthrospira. Die spiralförmigen, mikroskopisch kleinen Organismen gehören zu den ältesten Lebewesen der Erde und besiedeln seit Milliarden von Jahren alkalische Gewässer in tropischen und subtropischen Regionen. Hauptanbaugebiete befinden sich heute in Südostasien, Mittelamerika, Afrika und Australien.
Die kommerzielle Kultivierung erfolgt in kontrollierten Aquakulturen, wo die Mikroorganismen durch Filtern oder Zentrifugieren geerntet und anschließend gefriergetrocknet oder mit Heißluft behandelt werden. Anders als andere Mikroalgen wie Chlorella besitzt Spirulina keine Zellulosewände, wodurch die Inhaltsstoffe besser bioverfügbar sind.
Der beeindruckendste Aspekt von Spirulina ist zweifellos ihr Proteingehalt. Mit 60 Prozent Eiweiß in der Trockenmasse übertrifft sie die meisten anderen pflanzlichen Proteinquellen deutlich. Das Protein enthält alle essentiellen Aminosäuren und weist eine biologische Wertigkeit von 103 auf, was für ein pflanzliches Lebensmittel außergewöhnlich hoch ist.
Pro 100 Gramm getrockneter Spirulina finden sich etwa:
Zusätzlich enthält die Mikroalge verschiedene B-Vitamine, Vitamin E, sowie die antioxidativen Farbstoffe Phycocyanin und Chlorophyll. Der Jodgehalt ist im Gegensatz zu Meeresalgen gering, was einen täglichen Verzehr unbedenklich macht.
Ein besonders umstrittener Aspekt ist der Vitamin-B12-Gehalt von Spirulina. Während Hersteller oft mit hohen B12-Werten werben, liegt das enthaltene Vitamin nach Auskunft des Max-Rubner-Instituts zu etwa 80 Prozent in einer für den Menschen nicht verwertbaren Form vor. Diese sogenannten Vitamin-B12-Analoga können sogar die Aufnahme von echtem Vitamin B12 blockieren, indem sie die Transportsysteme belegen.
Für Vegetarier und Veganer ist Spirulina daher keine zuverlässige B12-Quelle und könnte die Versorgungslage sogar verschlechtern. Eine Studie von 2019 an Ratten zeigte zwar positive Effekte bei B12-Mangel, allerdings bei unrealistisch hohen Dosierungen von 60-120 Gramm pro Tag beim Menschen.
Die Forschung zu Spirulina beim Menschen ist noch relativ jung, zeigt aber erste vielversprechende Ansätze. Besonders interessant sind Studien zu allergischen Reaktionen und sportlicher Leistung:
Heuschnupfen und Allergien: Eine randomisierte Doppelblindstudie von 2005 untersuchte 36 Personen mit allergischer Rhinitis über zwölf Wochen. Bei einer Tagesdosis von 2.000 Milligramm zeigten sich signifikante Verbesserungen der Symptome, während niedrigere Dosen und Placebo wirkungslos blieben.
Sportliche Leistung: Eine Studie mit neun trainierten Männern ergab nach vierwöchiger Einnahme von 4 Gramm täglich eine bessere Ausdauer, um 10 Prozent reduzierte Kohlenhydratverbrennung und um 11 Prozent erhöhte Fettverbrennung. Zusätzlich sanken die Marker für oxidativen Stress.
Colitis ulcerosa: Eine 2024 veröffentlichte Studie mit 80 Teilnehmern zeigte nach achtwöchiger Supplementierung mit 1 Gramm täglich eine verbesserte antioxidative Kapazität und erhöhte Lebensqualität bei Patienten mit der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung.
Die Verbraucherzentrale und andere Institutionen bewerten Spirulina deutlich skeptischer. Hauptkritikpunkte sind:
Geringe Nährstoffmengen: Bei der üblichen Tagesdosis von 2-4 Gramm sind die absoluten Nährstoffmengen relativ gering. Eine 2-Gramm-Tablette liefert beispielsweise nur 1,2 Gramm Protein, was dem Eiweißgehalt von einem Esslöffel Magerquark entspricht.
Fehlende große Studien: Die meisten Untersuchungen haben geringe Teilnehmerzahlen und unterschiedliche Dosierungen. Groß angelegte, methodisch einwandfreie Studien fehlen bislang.
Keine zugelassenen Health Claims: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) konnte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Spirulina und beworbenen Gesundheitseffekten feststellen.
Die Qualität von Spirulina-Produkten kann erheblich schwanken. Das europäische Schnellwarnsystem RASFF meldete in den letzten Jahren regelmäßig Probleme:
Schadstoffe: Verunreinigungen mit krebserregenden aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) durch unsachgemäße Trocknung sind dokumentiert. Seit 2015 gelten daher PAK-Höchstwerte für Spirulina-Nahrungsergänzungsmittel.
Mikroplastik: Eine 2024 veröffentlichte Studie fand Mikroplastik-Kontaminationen in kommerziell verkauften Spirulina-Produkten, insbesondere Polypropylen und Polystyrol.
Radioaktive Bestrahlung: Besonders Produkte aus Asien fallen immer wieder durch unzulässige radioaktive Bestrahlung auf.
Sulfat-Zusätze: 2020 war nicht deklariertes Sulfat das Hauptproblem, welches zu schweren Unverträglichkeitsreaktionen wie Asthma führen kann.
Die empfohlene Tagesdosis liegt zwischen 3-5 Gramm, wobei eine schrittweise Steigerung ratsam ist. Spirulina ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich:
Pulver: Lässt sich gut in Smoothies, Säfte oder Joghurt einrühren, hat aber einen charakteristischen erdigen Geschmack.
Tabletten und Presslinge: Geschmacksneutral und einfach zu dosieren, können aber durch die Pressung Nährstoffverluste aufweisen.
Flocken: Seltener verfügbar, eignen sich für Salate oder Suppen.
Personen mit Phenylketonurie sollten Spirulina meiden, da die Alge den Aminosäure-Baustein Phenylalanin enthält. Allergische Reaktionen sind möglich, aber selten dokumentiert.
Die Ökobilanz von Spirulina ist zwiespältig. Einerseits kann ein Kilogramm Algen während des Wachstums etwa 1,5 Kilogramm CO2 abbauen und in Sauerstoff umwandeln. Andererseits führen die weiten Transportwege aus tropischen Anbaugebieten zu einer negativen Klimabilanz für europäische Verbraucher.
Erste Pilotprojekte für den Anbau in Europa, beispielsweise in der Normandie, könnten diese Problematik zukünftig entschärfen. Bislang stammt der Großteil der im deutschen Handel verfügbaren Spirulina jedoch aus Übersee.
Spirulina ist zweifellos ein nährstoffreiches Lebensmittel mit interessanten bioaktiven Eigenschaften. Die ersten wissenschaftlichen Studien deuten auf mögliche gesundheitliche Vorteile hin, besonders bei Allergien und sportlicher Leistung. Allerdings sind die Nährstoffmengen bei üblicher Dosierung begrenzt und rechtfertigen kaum die oft hohen Preise und langen Transportwege.
Für Menschen mit ausgewogener Ernährung ist Spirulina verzichtbar, da sich alle enthaltenen Nährstoffe auch über heimische Lebensmittel decken lassen. In Entwicklungsländern mit Mangelernährung kann die proteinreiche Mikroalge jedoch durchaus einen wertvollen Beitrag zur Nährstoffversorgung leisten.
Wer sich für Spirulina entscheidet, sollte auf Bio-Qualität und transparente Herkunftsangaben achten. Die Mikroalge ist weder Wundermittel noch völlig nutzlos, sondern ein hochwertiges Nahrungsergänzungsmittel mit begrenztem, aber durchaus vorhandenem Potenzial.
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