Vitamin B6: Funktionen, Bedarf und kritische Überdosierung

Vitamin B6 ist ein wasserlösliches Vitamin, das an über 100 Stoffwechselprozessen beteiligt ist und eine zentrale Rolle im Aminosäure- und Nervenstoffwechsel spielt. Während ein Mangel bei ausgewogener Ernährung selten auftritt, warnt die EFSA vor einer kritischen Überdosierung durch hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel. Die tolerierbare Höchstmenge wurde 2023 von 25 mg auf 12 mg täglich gesenkt, da bereits ab 100 mg langfristig Nervenschädigungen möglich sind.

ZENTRALE Überblick

  • Vitamin B6 umfasst drei chemische Verbindungen (Pyridoxin, Pyridoxal, Pyridoxamin) und ist als Coenzym an über 140 enzymatischen Reaktionen beteiligt
  • Die EFSA senkte 2023 die tolerierbare Höchstmenge von 25 mg auf 12 mg täglich, da hochdosierte Supplemente Nervenschädigungen verursachen können
  • Beste natürliche Quellen sind Lachs (0,98 mg/100g), Walnüsse (0,6 mg/100g), Avocado (0,4 mg/100g) und Bananen (0,36 mg/100g)

Biochemische Grundlagen und Funktionen

Chemische Struktur und Formen

Vitamin B6 ist ein Sammelbegriff für drei chemisch verwandte Verbindungen: Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin. Alle drei Formen enthalten einen Pyridinring als Grundstruktur und können im Körper ineinander umgewandelt werden. Die biologisch aktivste Form ist Pyridoxal-5'-Phosphat (PLP), das als Coenzym in über 140 enzymatischen Reaktionen fungiert.

Die Umwandlung erfolgt über das Enzym Pyridoxalkinase, wobei die phosphorylierten Derivate Pyridoxin-5'-Phosphat, Pyridoxal-5'-Phosphat und Pyridoxamin-5'-Phosphat entstehen. Der Abbau zu 4-Pyridoxinsäure erfolgt durch die Pyridoxin-5'-Phosphat-Oxidase, die Flavinmononukleotid (FMN) als Cofaktor benötigt, das aus Riboflavin (Vitamin B2) gebildet wird.

Zentrale Stoffwechselfunktionen

Vitamin B6 spielt eine unverzichtbare Rolle im Aminosäurestoffwechsel. Als wichtigstes Coenzym katalysiert es Decarboxylierungs-, Transaminierungs-, Racemisierungs- und Eliminationsreaktionen. Besonders bedeutsam ist die Beteiligung an der Synthese von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und GABA.

Gemeinsam mit Folat und anderen B-Vitaminen reguliert Vitamin B6 den Homocystein-Stoffwechsel. Erhöhte Homocysteinspiegel stehen in Verbindung mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Venenthrombosen. Das Vitamin ist außerdem an der Hämoglobin-Bildung beteiligt und beeinflusst bestimmte Hormonaktivitäten sowie das Immunsystem.

Einfluss auf Nervensystem und Psyche

Die Bedeutung von Vitamin B6 für das Nervensystem zeigt sich in seiner Rolle bei der Myelinbildung. Myelin umhüllt die Nervenfasern und sorgt für eine schnellere Weiterleitung von Nervenerregungen. Das Vitamin trägt zur Bildung von Taurin bei, einer Aminosäure, die für den Fettstoffwechsel und die Nervenfunktion wichtig ist.

Durch die Beteiligung an der Synthese von Serotonin und anderen Neurotransmittern beeinflusst Vitamin B6 die Stimmungsregulation und kann zur normalen psychischen Funktion beitragen sowie Müdigkeit verringern.

Bedarf und Empfehlungen

Aktuelle Referenzwerte

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat 2024 die Referenzwerte für Vitamin B6 überarbeitet. Für Erwachsene liegen die Empfehlungen bei 1,4 mg täglich für Frauen und 1,6 mg täglich für Männer. Diese Werte wurden anhand von Bilanzstudien mit dem Biomarker Pyridoxal-5'-Phosphat abgeleitet.

Schwangere benötigen im ersten Trimester 1,5 mg und im zweiten und dritten Trimester 1,8 mg täglich. Stillende haben einen Bedarf von 1,6 mg täglich. Für Kinder und Jugendliche steigen die Werte von 0,1 mg für Säuglinge unter vier Monaten auf 1,6 mg für männliche Jugendliche.

Faktoren die den Bedarf beeinflussen

Der Vitamin-B6-Bedarf hängt eng mit der Eiweißzufuhr zusammen. Die Faustregel lautet: 20 Mikrogramm Vitamin B6 pro Gramm Eiweiß. Bei proteinreicher Ernährung steigt somit automatisch der Bedarf an diesem Vitamin.

Verschiedene Faktoren können den Bedarf zusätzlich erhöhen: Alkoholkonsum, die Einnahme oraler Verhütungsmittel, bestimmte Medikamente gegen Epilepsie oder Asthma, Lebererkrankungen und chronische Verdauungsstörungen. Bei ausreichender Versorgung sind etwa 100 mg Vitamin B6 in der Muskulatur gespeichert.

Natürliche Lebensmittelquellen

Tierische Vitamin-B6-Lieferanten

Tierische Lebensmittel enthalten Vitamin B6 in besonders gut verfügbarer Form. Lachs führt mit 0,98 mg pro 100 g die Liste an, gefolgt von anderen Fischarten wie Makrele, Sardine und Hering. Fleischsorten wie Geflügel, Rind und Schwein sind ebenfalls gute Quellen, wobei Innereien wie Leber besonders hohe Gehalte aufweisen.

Krustentiere wie Hummer enthalten ebenfalls nennenswerte Mengen. Milchprodukte und Eier haben zwar niedrigere Gehalte, können aber bei regelmäßigem Verzehr zur Bedarfsdeckung beitragen. Die Bioverfügbarkeit aus tierischen Quellen liegt bei etwa 75 Prozent.

Pflanzliche Vitamin-B6-Quellen

Bei den pflanzlichen Lebensmitteln sind Nüsse und Samen besonders gute Quellen. Walnüsse enthalten 0,6 mg pro 100 g, Haselnüsse 0,66 mg und Erdnüsse 0,44 mg. Sesamsamen liefern ebenfalls nennenswerte Mengen.

Avocados enthalten 0,4 mg pro 100 g und gelten als eine der besten Fruchtquellen. Bananen liefern 0,36 mg pro 100 g und sind aufgrund ihrer Beliebtheit eine wichtige Vitamin-B6-Quelle in der Bevölkerung. Bei Gemüse sind Brokkoli, Rosenkohl, Kartoffeln und grüne Bohnen gute Lieferanten.

Vollkornprodukte enthalten mehr Vitamin B6 als verarbeitete Getreideprodukte, da sich das Vitamin hauptsächlich in Keimling und Aleuronschicht befindet. Hülsenfrüchte wie Sojabohnen, Linsen und Kichererbsen sind weitere wichtige pflanzliche Quellen.

Vitamin-B6-Mangel: Ursachen und Symptome

Risikogruppen und Ursachen

Ein Vitamin-B6-Mangel ist bei gesunden Menschen mit ausgewogener Ernährung sehr selten. Nach der Nationalen Verzehrsstudie liegt die mittlere Zufuhr bei Frauen bei 1,2 mg und bei Männern bei 1,6 mg täglich, womit ein Teil der Erwachsenen die empfohlene Zufuhr nicht erreicht.

Zu den Risikogruppen gehören untergewichtige Personen, ältere Menschen mit geringer Nahrungsaufnahme, Personen mit chronisch hohem Alkoholkonsum, Patienten mit chronischen Verdauungsstörungen sowie Menschen, die bestimmte Medikamente einnehmen. Schwangere können am Ende der Schwangerschaft eine Verschlechterung der Vitamin-B6-Versorgung entwickeln.

Klinische Manifestationen

Die Symptome eines Vitamin-B6-Mangels sind vielfältig und betreffen verschiedene Organsysteme. Charakteristisch sind schuppende Hautausschläge im Gesicht, besonders im Nasen-Mund-Augen-Bereich (seborrhoische Dermatitis), Entzündungen an Lippen und im Mund sowie Risse in den Mundwinkeln.

Neurologische Symptome umfassen Sensibilitätsstörungen, ein stechendes Gefühl an Händen und Füßen sowie bei schweren Fällen Krampfanfälle. Eine eisenunabhängige Anämie kann auftreten, da Vitamin B6 für die Hämoglobin-Bildung benötigt wird. Bei Säuglingen und Kleinkindern können Krampfanfälle, Zittern und Bewegungsstörungen auftreten.

Überdosierung und Toxizität

Aktuelle Sicherheitsbewertung

Die EFSA hat 2023 ihre Sicherheitsbewertung für Vitamin B6 grundlegend überarbeitet. Die tolerierbare Höchstmenge (UL) wurde von 25 mg auf 12 mg täglich für Erwachsene gesenkt. Dieser Schritt erfolgte aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über das Auftreten peripherer Neuropathien bei übermäßiger Aufnahme.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren, nicht mehr als 0,9 mg Vitamin B6 täglich über Nahrungsergänzungsmittel aufzunehmen. Diese deutlich niedrigere Empfehlung trägt dem vorsorgenden Verbraucherschutz Rechnung.

Toxische Wirkungen bei Überdosierung

Hochdosierte Vitamin-B6-Supplementierung kann zu schwerwiegenden Nervenschädigungen führen. Ab einer Aufnahme von 500 mg täglich ist ein relevantes toxikologisches Potenzial klar erkennbar. Bei 100 mg täglich bei Langzeitaufnahme sind unerwünschte Wirkungen nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen.

Die charakteristischen neurotoxischen Effekte umfassen periphere Neuropathien mit Schmerzen und Taubheitsgefühlen in Händen und Füßen. Diese Symptome entwickeln sich langsam über längere Zeiträume und können sich nach Absetzen der hochdosierten Präparate wieder zurückbilden, allerdings oft nur unvollständig.

Problematische Sportlerprodukte

Besonders Sportlerprodukte und im Internet vertriebene Nahrungsergänzungsmittel enthalten oft bedenklich hohe Vitamin-B6-Dosen. Das Bayerische Landesamt warnt vor Produkten mit Gehalten von mehreren hundert Milligramm pro Tagesdosis. Viele dieser Produkte werden als Dietary Supplements aus dem nicht-europäischen Ausland bezogen und unterliegen nicht den EU-Sicherheitsstandards.

Versorgungssituation und Handlungsempfehlungen

Bedarfsdeckung durch normale Ernährung

Bei einer ausgewogenen Mischkost ist die Vitamin-B6-Versorgung in Deutschland üblicherweise ausreichend. Das Vitamin kommt in fast allen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vor, wodurch selbst ein erhöhter Bedarf während Schwangerschaft und Stillzeit problemlos gedeckt werden kann.

Beispiele für eine bedarfsdeckende Tagesration: 200 g Brokkoli plus 150 g Putenbrust plus 50 g Naturreis oder 150 g Hering plus 2 Kartoffeln plus 50 g Feldsalat. Bereits 50 g Walnüsse decken etwa ein Drittel des Tagesbedarfs.

Praktische Zubereitungs- und Lagerungshinweise

Vitamin B6 ist licht- und hitzeempfindlich sowie wasserlöslich. Bei der Zubereitung können bis zu 50 Prozent des Vitamins verloren gehen, wenn bei Temperaturen über 100°C gekocht wird. Einfrieren reduziert den Gehalt um bis zu 30 Prozent.

Für eine optimale Vitamin-B6-Erhaltung sollten Lebensmittel kühl, trocken und dunkel gelagert werden. Bei der Zubereitung ist schonendes Garen mit wenig Wasser zu bevorzugen. Dämpfen oder Dünsten erhält mehr Vitamine als Kochen in viel Wasser. Rohkost liefert die höchsten Vitamin-B6-Mengen.

Supplementierung: Wann sinnvoll?

Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin B6 sind für gesunde Menschen mit ausgewogener Ernährung überflüssig und können bei hochdosierten Produkten sogar schädlich sein. Eine Supplementierung kann nur in speziellen Fällen medizinisch begründet sein, etwa bei nachgewiesenem Mangel oder bestimmten Erkrankungen.

Das BfR stuft bereits 3,5 mg Vitamin B6 täglich über Nahrungsergänzungsmittel als mehr als ausreichend ein. Viele handelsübliche Präparate enthalten jedoch deutlich höhere Dosierungen, die nach aktueller Bewertung als bedenklich gelten. Eine langfristige Verwendung solcher Supplemente sollte ärztlich überwacht werden.

Was sind deine Erfahrungen mit Vitamin B6? Hast du schon einmal auf hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel zurückgegriffen oder achtest du bewusst auf eine natürliche Vitamin-B6-Versorgung? Teile deine Gedanken mit der ZENTRALE Community.