Baldrian - Die natürliche Schlafhilfe mit wissenschaftlich belegter Wirkung

Baldrian (Valeriana officinalis), auch als Echter Baldrian oder Arznei-Baldrian bekannt, gehört zu den wichtigsten pflanzlichen und nicht-abhängig machenden Beruhigungsmitteln der Naturheilkunde. Die bis zu 2 Meter hohe Pflanze aus der Familie der Baldriangewächse (Valerianaceae) ist in Europa und den gemäßigten Zonen Asiens heimisch und wird seit der Antike als Heilpflanze geschätzt. Seine schlaffördernde und beruhigende Wirkung wurde erst im 18. Jahrhundert entdeckt, nachdem er jahrhundertelang bei Verdauungsproblemen und Kopfschmerzen eingesetzt wurde. Moderne Forschung hat den Wirkmechanismus aufgeklärt: Lignane in der Baldrianwurzel binden an Adenosin-1-Rezeptoren im Gehirn und imitieren die Wirkung des körpereigenen "Müdemachers" Adenosin.

ZENTRALE Überblick

  • Baldrian enthält Lignane, die an Adenosin-1-Rezeptoren binden und den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus regulieren - ähnlich wie Koffein, aber mit gegenteiliger Wirkung
  • Die empfohlene Dosierung liegt bei 400-600 mg Extrakt täglich, wobei die Wirkung erst nach 2-4 Wochen regelmäßiger Einnahme eintritt
  • Wissenschaftliche Studien belegen die Wirksamkeit bei nervösen Unruhezuständen und Einschlafstörungen ohne Abhängigkeitspotenzial

Botanische Eigenschaften und Verbreitung

Echter Baldrian (Valeriana officinalis) ist eine mehrjährige, bis über einen Meter hohe Pflanze, die hauptsächlich an feuchten und schattigen Standorten zu finden ist. Die fiederblättrige Pflanze trägt weiß bis hellrosa gefärbte Blüten, angeordnet in Büscheln (sogenannten Trugdolden). Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis August, wobei die charakteristischen weißen bis rosa Blütenrispen am Ende des Stängels hervorragen.

Heutzutage werden V. officinalis und verwandte Arten mit beruhigenden Eigenschaften (wie V. edulis, V. fauriei, V. jatamansi) nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika und Japan angebaut. Deutschland baut Baldrian vor allem in Bayern und Thüringen an. Es gibt 150 bis 300 verschiedene Baldrianarten weltweit.

Arzneilich wirksam sind die aromatisch riechenden, unterirdischen Wurzelstöcke mit den daran hängenden, büscheligen Wurzeln. Das Rhizom (Wurzelstock) und die Wurzeln werden zur Herstellung zahlreicher Fertigarzneimittel verwendet. Die lateinische Bezeichnung Valeriana officinalis bedeutet "gesund" und "in Apotheken verwendet".

Historische Entwicklung der Anwendung

Baldrian war bereits im antiken Griechenland und Rom als Heilpflanze geschätzt. Hippokrates wendete im 4. Jahrhundert vor Christus die getrocknete Wurzel bei Verdauungsproblemen, Kopfschmerzen und Augenbeschwerden an. Im Orient wurden seine Heilkräfte im 9. Jahrhundert erstmals erwähnt.

Im Mittelalter führte der dominante Geruch dazu, dass die Pflanze den Ruf bekam, gegen Hexen und böse Geister zu wirken. Nordische Völker trugen Baldrian daher zum Schutz bei sich und hängten ihn auch zur Abwehr des Bösen an ihre Behausungen. Hildegard von Bingen erwähnte die Wirksamkeit bei Brustfellentzündungen, während Paracelsus die wertvolle Heilkraft bei Epilepsie schätzte. Sogar gegen die Pest war Baldrian im Einsatz.

Erst im 17. Jahrhundert wurde seine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem entdeckt. Mitte des 18. Jahrhunderts empfahl Kräuterpfarrer Kneipp Baldrian als natürliches Beruhigungsmittel "bei allen Formen nervöser Zustände". Die Indikation für Unruhezustände und Schlafstörungen ist erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bekannt.

Wirkstoffe und pharmakologische Eigenschaften

Die Heilkraft der Pflanze steckt hauptsächlich im ätherischen Öl des Wurzelstocks (Rhizom) und der Wurzeln. Es setzt sich aus einer Vielzahl von wirkungsvollen Komponenten zusammen. Der Hauptinhaltsstoff von Baldrianöl ist Bornylacetat.

Wichtige Inhaltsstoffe:

  • Ätherisches Öl (mindestens 0,5%)
  • Lignane (speziell Olivil-Derivate)
  • Sesquiterpensäuren (Valerensäuren, mindestens 0,17%)
  • Valepotriate (Iridoide)
  • Flavonoide
  • Sesquiterpene (Naturstoffe, die sich von Isopren ableiten)
  • Alkaloide (u.a. Actinidin)
  • Fettsäuren
  • Freie Aminosäuren (u.a. GABA)
  • Polyphenole und Phenolcarbonsäuren

Das ätherische Öl ist für den charakteristischen Geruch zuständig. Die Inhaltsstoffe wirken nur in Kombination, nicht allein. Welche davon für die schlaffördernde Wirkung verantwortlich sind, ist bis heute nicht ganz klar. Wahrscheinlich wirken mehrere Substanzen zusammen.

Entdeckung des Wirkmechanismus

Ein bahnbrechender Durchbruch gelang Professor Dr. Christa Müller und ihren Kollegen vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn. Sie identifizierten im Baldrianwurzelextrakt einen Inhaltsstoff, der ebenso wie Adenosin an den A1-Adenosinrezeptor bindet.

Der Adenosin-Pathway

Adenosin ist einer der bekannten "Müdemacher" im Gehirn. Das Ribonucleosid sammelt sich während des Wachzustands im Gehirn an. Überschreitet Adenosin eine bestimmte Konzentrationsschwelle, induziert es Schlaf, wobei die schlaffördernde Wirkung über die Bindung an A1-Rezeptoren zustande kommt.

Der Adenosin-Regelkreis schützt das Gehirn vor einem möglichen Energiemangel. In besonders regen Hirnarealen entsteht in langen Wachphasen lokal ein Energiemangel, der mit einer Zunahme der extrazellulären Adenosinkonzentration einhergeht. Bevor der Energiehaushalt aus dem Gleichgewicht gerät, sorgt Adenosin für erholsamen Schlaf.

Koffein wirkt als Gegenspieler: Es kann an dieselben A1-Rezeptoren andocken, blockiert sie jedoch lediglich, bewirkt dort aber keine Reaktion. Folge für den Kaffeetrinker: Er wird wach.

Das Olivil-Lignan

Erste Versuche zeigten, dass wässrig-alkoholische Vollextrakte aus der Baldrianwurzel tatsächlich an den A1-Rezeptor im Gehirn von Ratten binden und eine Adenosin-ähnliche Wirkung hervorrufen. Versuche mit gentechnisch produzierten menschlichen Rezeptoren ergaben ein vergleichbares Ergebnis.

Eine Marburger Arbeitsgruppe brachte das Team um Müller auf die richtige Spur: Sie hatte nachgewiesen, dass Baldrian verschiedene Verbindungen aus der Gruppe der Lignane enthält. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Dr. Britta Schumacher entdeckten die Bonner Forscher sechs neue Lignane.

Eines von ihnen, 4´-O-beta-D-glykosyl-9-O-(6´´-deoxysaccharosyl)Olivil, dockte ebenso wie Adenosin an den A1-Rezeptor an und rief dort eine ähnliche Reaktion hervor. Ein Inhaltsstoff des Baldrians sticht besonders hervor: die sogenannten Schlaflignane. Diese setzen an den gleichen Rezeptoren im Gehirn an wie der körpereigene "Müdemacher" Adenosin und machen auf ähnliche Art müde.

GABA-System und zusätzliche Wirkmechanismen

Aus klinischen Studien ist bekannt, dass die Inhaltsstoffe mit bestimmten Andockstellen des Botenstoffes GABA (GABA-Rezeptoren) in Nervenzellen wechselwirken. Das führt zu einer entspannenden und entkrampfenden Wirkung.

Baldrian-Extrakte erhöhen in vitro die Konzentration der Gamma-Aminobuttersäure (GABA) im synaptischen Spalt. In einer Studie wurde eine signifikante Abnahme des Tiefschlafanteils bei gleichzeitiger Zunahme des Stadiums II festgestellt. Diese Veränderungen entsprechen den Effekten von Benzodiazepinrezeptoragonisten und sind ein Hinweis auf einen GABAergen Wirkmechanismus von Baldrian.

Durch klinische Studien sind folgende Wirkungen gesichert:

  • Abnahme der zentralen Hyperreaktivität
  • Verkürzung der Einschlafzeit
  • Verbesserung der Schlafqualität mit Verminderung des nächtlichen Aufwachens
  • Verbesserung der Tagesbefindlichkeit (nach 2-4-wöchiger Therapie)
  • Beeinflussung des GABA-Stoffwechsels

Anwendungsgebiete und medizinische Indikationen

Baldrian wird innerlich bei leichter nervöser Anspannung und Schlafstörungen angewendet. Seine Wirksamkeit für diese Anwendungsgebiete ist medizinisch anerkannt. Nach der Kommission E besteht für Baldrian eine positive Monographie bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen.

Hauptanwendungsgebiete:

  • Nervöse Unruhezustände
  • Einschlafstörungen und Schlafprobleme
  • Leichte nervöse Anspannung
  • Stress und Reizbarkeit

Traditionelle Anwendungen:

  • Geistige Überanstrengung
  • Konzentrationsschwäche
  • Angst und Hysterie
  • Nervlich bedingte Leiden verschiedener Organe
  • Nervöse Magen-Darm-Beschwerden

Aufgrund der angstlösenden, konzentrations- und leistungsfördernden Wirkung eignet sich Baldrian gut in Prüfungssituationen. Zusätzlich bestehen analgetische, krampflösende und muskelentspannende Wirkungen.

Eine muskelentspannende Wirkung erzielt die Heilpflanze in Vollbädern. Traditionell nutzt man ihn auch bei geistiger Überanstrengung, Konzentrationsschwäche, gegen Stress und Reizbarkeit. Die klinische Wirksamkeit in diesen Bereichen ist jedoch wissenschaftlich noch nicht ausreichend belegt.

Dosierung und Anwendungsformen

Bei pflanzlichen Monopräparaten gegen nervöse Anspannung werden in der Regel bis zu dreimal täglich 400 bis 600 mg des Extraktes empfohlen. Bei Schlafstörungen sollte eine Dosis von 400 bis 600 mg während des früheren Abends eingenommen werden und eine weitere Dosis dann eine halbe bis eine Stunde vor dem Schlafengehen.

Die Kommission E empfiehlt eine Dosis von 30-40 mg pro Tag. In wissenschaftlichen Studien wird meist eine Dosis zwischen 4 und 40 Milligramm Baldrian-Extrakt pro Tag verwendet.

Wichtige Einnahmehinweise:

  • Baldrian verbessert den Schlaf nicht unbedingt nach der ersten Einnahme
  • Oft sind mindestens zwei Wochen nötig, bis sich die Effekte bemerkbar machen
  • Manche Mittel müssen über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen eingenommen werden
  • Die Inhaltsstoffmenge in Baldrianfrüchten variiert
  • Nur standardisierte Fertigarzneimittel gewährleisten medizinische Wirksamkeit

Anwendungsformen:

  • Baldriantee: 1 Teelöffel auf 1 Tasse, kurz aufkochen oder über Nacht kalt ansetzen
  • Tinktur: Am Abend 1 Teelöffel mit Zucker oder einem Glas Wasser
  • Tropfen: Zur Beruhigung 2-3-mal täglich ca. 1,5 ml, bei Schlafstörungen 3 ml eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen
  • Tabletten/Dragees: Haben den Vorteil, dass der intensive Geruch nicht so stark wahrgenommen wird
  • Badezusätze: Für muskelentspannende Wirkung

Kombinationspräparate

Es gibt verschiedene Monopräparate mit reinem Baldrianwurzel-Extrakt auf dem Markt. Häufig wird aber auch mit anderen beruhigenden Heilpflanzen kombiniert, um die Wirkung zu intensivieren. Zur Verfügung stehen beispielsweise:

  • Hopfen (besonders bewährt in der Kombination)
  • Melisse
  • Passionsblume
  • Johanniskraut
  • Lavendel

Ein besonders gut untersuchter Spezialextrakt ist Ze 91019, eine Kombination aus Baldrian und Hopfen, dessen Wirksamkeit und Sicherheit durch zahlreiche Studien belegt sind.

Nebenwirkungen und Sicherheitshinweise

Laut Prof. Schilcher sind keine Nebenwirkungen bekannt! Baldrian kann jedoch die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen (durch Kombination mit Alkohol noch verstärkt).

Mögliche Nebenwirkungen:

  • Seltene allergische Beschwerden wie Juckreiz oder Hautausschlag
  • Magen-Darm-Probleme wie Übelkeit und Bauchkrämpfe
  • Bei Überdosierung: Müdigkeit am Tag, Bauchkrämpfe, Engegefühl in der Brust, Benommenheit, Händezittern

Kontraindikationen:

  • Kinder unter 12 Jahren sollten keine Baldrian-Produkte einnehmen
  • Bei Unterdosierung (10-20 Tropfen) kann es zu paradoxen (umgekehrten) Reaktionen kommen
  • Der Einsatz während der Schwangerschaft und Stillzeit ist umstritten
  • Ätherische Öle reizen in konzentrierter Form Haut und Schleimhaut - immer nur verdünnt anwenden

Wechselwirkungen:

  • Bei der Anwendung mehrerer Wirkstoffe können Wechselwirkungen auftreten
  • Besonders bei der Kombination verschiedener beruhigender Arzneien
  • Die Wirkungen und Nebenwirkungen können sich verstärken oder verändern
  • Im Allgemeinen wird dazu geraten, pflanzliche Schlafmittel nicht zusammen mit Alkohol einzunehmen

Wissenschaftliche Evidenz und Studienlage

Baldrian ist eine der am besten untersuchten pflanzlichen Schlafhilfen. In klinischen Studien konnte die schlaffördernde und beruhigende Wirkung nachgewiesen werden. Deshalb werden Medikamente, die Valeriana enthalten, als Beruhigungsmittel bei nervösen Unruhezuständen und zur Förderung der Schlafbereitschaft angewandt.

Klinische Studien:

Eine Pilotstudie mit 48 gesunden männlichen Freiwilligen untersuchte die Wirkung eines Hopfen-/Baldriangemischs gegen Koffein-induzierte Wachheit. Koffein bindet an die A1-Rezeptoren, bewirkt dort aber keine Reaktion, sondern blockiert sie lediglich. Testpersonen, die anschließend zwei bis sechs Tabletten eines Hopfen-/Baldriangemischs erhielten, zeigten eine dosisabhängige Kompensation des Koffein-Effekts.

In einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie über 4 Wochen mit 15 Patienten mit psychophysiologischer Insomnie zeigte ein Baldrian-Hopfen-Präparat (500 mg Baldrian- und 120 mg Hopfen-Trockenextrakt) eine signifikante Abnahme des Tiefschlafanteils bei gleichzeitiger Zunahme des Stadiums II.

Limitationen:

Zwar finden sich zu Baldrian viele Studien, doch diese wurden meist nur mit wenigen Teilnehmern durchgeführt. Die Studien sind somit wenig aussagekräftig. Deshalb empfehlen medizinische Leitlinien keine pflanzlichen Arzneimittel als Schlafmittel. In den ärztlichen Leitlinien zu Angststörungen oder der häufigen Schlafstörung Insomnie findet sich derzeit keine Empfehlung für pflanzliche Wirkstoffe wie Baldrian.

Qualität und Standardisierung

Baldrian gibt es in vielen Formen und Kombinationen. Nicht jedes Produkt, das Baldrian enthält, ist ein Arzneimittel. Empfehlenswert ist eine Beratung in der Apotheke. Pflanzliche Präparate zählen oft zu den sogenannten traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln. Sie werden zwar schon lange angewendet, ihre Wirkung ist aber in der Regel nur indirekt belegt.

Daneben gibt es aber auch pflanzliche Arzneimittel, deren Wirksamkeit - etwa bei nervös bedingten Schlafstörungen - in Studien genauer untersucht wurde. Die Apothekerin oder der Apotheker informiert zur Auswahl individuell geeigneter Produkte.

Für Produkte aus Baldrian wird die Wurzel der Pflanze verwendet. Dort sind ätherische Öle enthalten, die mit den Nervenzellen des Körpers interagieren und eine entspannende und entkrampfende Wirkung haben sollen.

Vergleich zu synthetischen Schlafmitteln

Im Gegensatz zu verschreibungspflichtigen Schlafmitteln (Benzodiazepine, Z-Substanzen) macht Baldrian nicht abhängig und hat eine große therapeutische Breite. Synthetische Schlafmittel haben eine sehr viel stärkere Wirkung und erzwingen den Schlaf, während Beruhigungsmittel auf pflanzlicher Basis nur die Schlafbereitschaft fördern und dadurch sanft regulierend bei Schlafstörungen wirken können.

Pflanzliche Schlafmittel zeichnen sich durch eine große therapeutische Breite, eine altersneutrale Anwendbarkeit und das fast vollständige Fehlen von Nebenwirkungen aus. Sie haben den großen Vorteil, dass sie nicht abhängig machen.

Was denkst Du über Baldrian? Teile Deine Erfahrungen mit der ZENTRALE Community!