Nutzhanf: Nischenkultur mit großem Potenzial für Landwirtschaft und Umwelt

Nutzhanf erlebt in Deutschland eine Renaissance und entwickelt sich zunehmend von einer Nischenkultur zu einer vielversprechenden Option für nachhaltige Landwirtschaft. Mit der Anhebung des zulässigen THC-Gehalts auf 0,3 % durch die EU und wachsender Nachfrage nach ökologischen Rohstoffen eröffnen sich neue Perspektiven für diese traditionsreiche Kulturpflanze. Eine aktuelle Studie der Universität Göttingen beleuchtet die ökonomischen, ökologischen und sozialen Potenziale des Hanfanbaus aus Sicht der Praxis.

ZENTRALE Überblick

  • Nutzhanf ist anpassungsfähig, benötigt wenig Pflanzenschutz und eignet sich gut für nachhaltige Fruchtfolgen.
  • Die Pflanze bietet Einsparpotenziale bei Produktionskosten und kann durch Doppelnutzung von Fasern und Samen zusätzliche Einkommensquellen erschließen.
  • Hanf verbessert die Bodenstruktur, bindet CO₂ und fördert regionale Wertschöpfungsketten.
  • Herausforderungen bestehen vor allem in der Vermarktung und im Abbau gesellschaftlicher Vorurteile.

Ackerbauliche Besonderheiten und Anbau

Nutzhanf gedeiht am besten auf tiefgründigen, humosen Böden mit guter Wasserversorgung und einem neutralen bis leicht basischen pH-Wert. Die Aussaat erfolgt ab Mitte April bei Bodentemperaturen von mindestens 8 °C. Die empfohlene Aussaatstärke variiert je nach Nutzungsziel: Für Faserproduktion werden etwa 350 Körner pro Quadratmeter benötigt, für die Samengewinnung reichen etwa 100 Körner. Winterhanf kann nach früh räumenden Hauptfrüchten wie Wintergerste als Zweitfrucht bis Ende Juli ausgesät werden.

Der Nährstoffbedarf ist moderat, wobei organische Dünger wie Gülle oder Gärreste die Bodenstruktur zusätzlich verbessern. Hanf ist aufgrund seiner schnellen Jugendentwicklung und dichten Bestandsbildung sehr konkurrenzfähig gegenüber Unkräutern, sodass meist vollständig auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden kann. Krankheiten und Schädlinge treten bislang kaum auf.

Die Erntezeitpunkte richten sich nach dem Nutzungsziel: Für Fasern zwischen Vollblüte und Blühende, für Samen vier bis sechs Wochen später. Die Doppelnutzung erfordert präzises Timing und spezielle Erntetechnik. Im Winterhanfanbau erfolgt die Ernte im Frühjahr.

Abnehmer und Endprodukte

Nutzhanf ist vielseitig verwertbar:

  • Textilindustrie: Fasern für Kleidung und technische Textilien
  • Bauindustrie: Dämmstoffe, Verbundwerkstoffe
  • Lebensmittelindustrie: Hanfsamen, Hanföl, Hanfprotein
  • Kosmetik: Hanföl für Hautpflege
  • Papierindustrie: Spezialpapiere

Erfahrungen aus der Praxis

Ökonomische Aspekte

Landwirtinnen und Landwirte sehen im Hanfanbau Einsparpotenziale, da auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden kann. Die Doppelnutzung von Fasern und Samen eröffnet zusätzliche Einkommensquellen, stellt aber auch höhere Anforderungen an Technik und Organisation. Größere Anbauflächen sind vorteilhaft, um Maschinen effizient auszulasten. Kooperationen und vertragliche Absprachen mit Verarbeitern können die Wirtschaftlichkeit verbessern. Die Vermarktung bleibt eine Herausforderung – stabile Absatzwege und verlässliche Abnahmeverträge sind entscheidend.

Ökologische Aspekte

Nutzhanf trägt zur Verbesserung der Bodenstruktur bei, schützt vor Erosion und benötigt nach der Jugendphase wenig Wasser. Die Pflanze bindet effektiv CO₂, besonders wenn die Biomasse in langlebigen Produkten wie Dämmstoffen eingesetzt wird. Hanf eignet sich als Vorfrucht und verbessert die Erträge nachfolgender Kulturen. Die Teilnahme an Klimaschutzprogrammen könnte zusätzliche Erlöse bringen, erfordert aber klare Rahmenbedingungen.

Soziale Aspekte

Hanf kann das Image der Landwirtschaft verbessern, da die umweltschonende Produktion gesellschaftlich positiv bewertet wird. Es bestehen jedoch weiterhin Vorurteile und Missverständnisse zur Unterscheidung zwischen Nutz- und Drogenhanf. Aufklärungskampagnen sind notwendig, um Akzeptanz und Nachfrage zu steigern. Regionale Wertschöpfungsketten und Kooperationen stärken ländliche Räume und fördern Innovation. Besonders junge Menschen zeigen Interesse an nachhaltigen Kulturverfahren wie dem Hanfanbau.

Nutzhanf bietet der deutschen Landwirtschaft ökonomische und ökologische Vorteile: Einsparungen bei Betriebsmitteln, zusätzliche Einkommensquellen durch Doppelnutzung und positive Umweltwirkungen wie CO₂-Bindung und Bodenverbesserung. Die größten Herausforderungen liegen in der Vermarktung und im gesellschaftlichen Image. Eine schrittweise Ausdehnung der Anbaufläche, gesicherte Absatzverträge und gezielte Aufklärung können dazu beitragen, das Potenzial von Nutzhanf voll auszuschöpfen und die Kulturpflanze als festen Bestandteil einer nachhaltigen Landwirtschaft zu etablieren.