Private Krankenversicherung unter Kritik: Leistungslücken und Systemfragen
Die private Krankenversicherung (PKV) steht aktuell im Fokus intensiver Diskussionen. Zwei Studien – eine von der Stiftung Warentest und eine von Premiumcircle – haben erhebliche Leistungslücken bei PKV-Tarifen aufgedeckt, die sowohl Verbraucher als auch Experten kritisch betrachten. Während die PKV mit individuellen Leistungspaketen und Mehrleistungen wirbt, zeigen die Untersuchungen, dass sie in einigen Bereichen hinter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurückbleibt.
KKZ-Überblick
- Leistungslücken: Palliativpflege, ambulante Psychotherapie und digitale Gesundheitsanwendungen oft nicht abgedeckt.
- Vergleich GKV vs. PKV: Nur ein Drittel der PKV-Tarife bietet mehr Leistungen als die GKV.
- Kritikpunkte: Mangelnde Transparenz, uneinheitliche Standards und potenzielle Kostenfallen.
- PKV-Verteidigung: Individuelle Tarife ermöglichen Anpassung an persönliche Bedürfnisse; Beitragserhöhungen geringer als bei der GKV.
Ergebnisse der Stiftung Warentest
Die Stiftung Warentest untersuchte 1.245 Tarifkombinationen von 35 privaten Krankenversicherern und kam zu dem Ergebnis, dass viele Tarife keine umfassende Absicherung bieten. Nur 384 Tarifkombinationen erfüllten die Grundleistungen, die von den Testern aufgestellt wurden. Besonders problematisch sind:
- Palliativpflege: Oft unzureichend abgedeckt.
- Ambulante Psychotherapie: Leistungen fehlen häufig oder sind begrenzt.
- Kieferorthopädie nach Unfällen: Teilweise nicht erstattet.
- Digitale Gesundheitsanwendungen: Im Vergleich zur GKV deutlich weniger verfügbar.
Die Tester stellten fest: „Die PKV bietet nicht per se besseren Schutz als die gesetzliche.“ Zudem könne sie bei falscher Tarifwahl zur existenzbedrohenden Kostenfalle werden.
Kritik an der Bewertung
Der PKV-Verband moniert, dass die Stiftung Warentest die Tarife fast ausschließlich nach dem Leistungsumfang der GKV bewerte und dabei typische Vorteile der PKV außer Acht lasse:
- Individuelle Anpassung: Versicherte können Tarife wählen, die ihren Bedürfnissen entsprechen, auch wenn diese weniger umfassend sind.
- Mehrleistungen: Chefarztbehandlungen, höhere Honorarsätze und bessere Kostenerstattung für Medikamente werden nicht ausreichend berücksichtigt.
- Beitragsstabilität: Im Langzeitvergleich erhöhte die GKV ihre Beiträge stärker als die PKV.
Premiumcircle-Studie: Weitere Kritikpunkte
Die Beratungsfirma Premiumcircle analysierte Spitzentarife von 32 deutschen PKV-Anbietern im Vergleich zum Leistungskatalog der GKV. Auch hier ergaben sich deutliche Defizite:
- Kein einziger PKV-Tarif erfüllte alle 104 Mindestleistungskriterien der GKV.
- Fehlende Leistungen in Bereichen wie Anschlussheilbehandlungen, Reha, Prävention und Krankenpflege wurden bemängelt.
Premiumcircle-Chef Claus-Dieter Gorr kritisierte zudem die Willkür bei der Entscheidung über medizinische Notwendigkeit durch Versicherer: „Das System lädt die privaten Versicherungen zu Willkür ein.“
Verbrauchermeinung: Umfrage zeigt Probleme
Eine Umfrage des Portals „Finanztip“ unter 3.337 Privatversicherten ergab:
- 34 % berichteten, dass ihnen Leistungen nur teilweise erstattet wurden.
- 8 % gaben an, dass ihre Leistungsanträge vollständig abgelehnt wurden.
Experten warnen jedoch vor einer Verzerrung der Ergebnisse durch gezielte Auswahl aktiver Online-Befragter.
Verteidigung durch den PKV-Verband
Der PKV-Verband weist darauf hin, dass die Leistungsausgaben in den letzten Jahren um fast 20 % gestiegen sind – ein Beleg dafür, dass Leistungen keineswegs gekürzt wurden. Die Prüfung von Rechnungen auf medizinische Notwendigkeit sei eine Kernaufgabe zum Schutz des Versichertenkollektivs vor unnötigen Kosten.
Reformbedarf: Was die PKV verbessern könnte
Trotz berechtigter Einwände sollte die PKV einige Punkte ernst nehmen:
- Transparenz: Klare Kommunikation über Leistungsumfang und Ausschlüsse in den Tarifen.
- Hilfsmittelkataloge: Anpassung an den medizinischen Fortschritt und Übernahme innovativer Hilfsmittel.
- Definition medizinischer Notwendigkeit: Einheitliche Standards statt individueller Entscheidungen durch Sachbearbeiter.
Chancen und Herausforderungen
Die Diskussion um die PKV zeigt sowohl Stärken als auch Schwächen des Systems. Während individuelle Anpassungsmöglichkeiten ein Vorteil sind, müssen Leistungslücken geschlossen und mehr Transparenz geschaffen werden, um das Vertrauen der Versicherten zu stärken und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.